Mittwoch, 30. Juli 2014

Peng!

Peng! waren Markenchips und teuer. Von meinem Taschengeld habe ich mir die nicht kaufen können. Aber Aldi hatte eine Billigvariante. Fast so gut und dafür mehr drin. Irgendwann habe ich angefangen nicht nur massenhaft Bücher nach Hause zu schleppen, sondern auch Aldi-Chips. Aldi gab es damals nur in der "Stadt" und noch nicht in jedem Dorf. Und so habe ich während meiner Pubertät nicht nur samstags, sondern fast täglich eine Tüte geleert. Im Bett liegen, lesen und dabei Chipse essen - das war über Jahrzehnte mein bewährtes Seelentröstermittel. Damals fing auch die Scham an. Denn mir war schon klar, dass es nicht normal und gesund ist soviel Fett zu sich zu nehmen. Deshalb habe ich angefangen die Tüten zu verstecken. Ganz normales Suchtverhalten eben.

Eine solche Konditionierung behält man sein Leben lang. Es hätten auch andere Suchtmittel sein können. Aber für Zigaretten, Alkohol oder gar Drogen war ich viel zu brav. Zu viel und ungesundes Essen war - und ist es immer noch - eine gesellschaftlich tolerierte Droge. Wäre ich nicht ich, sondern ein anderes Mädchen, hätte sich theoretisch daraus mindestens Bulimie, wenn nicht sogar Anorexie entwickeln können.

Jahrelang habe ich eine Tageszeitung ausgetragen und mich damit anscheinend noch genug bewegt. Denn dick war ich objektiv nicht. Außer schwimmen habe ich aber freiwillig keinerlei Sport betrieben. Schulsport habe ich ausschließlich als Qual und Demütigung empfunden.

Wirklich verbessert hat sich meine Lebensqualität erst nach Beendigung der Schulzeit. Durch eine Berufsausbildung in meinem Traumberuf Buchhändlerin, einem neuen Freundeskreis und einer relativen Selbständigkeit habe ich neues Selbstbewusstsein bekommen. Es fühlte sich nicht mehr so schlimm an ich zu sein. Es gab Menschen außerhalb meiner Familie die mich mochten. In meinem Beruf war ich wirklich gut. Es fehlte nur noch ein "fester Freund" zu meinem Glück. Mehr habe ich nicht gewollt und auch nicht vom Leben erwartet. Das Leben fing an mir zu gefallen. Ich kann mich nicht erinnern in dieser Zeit zwanghaft gegessen zu haben.